Lärm ist über die Belästigungen hinaus ein Auslöser oder eine Verstärkung zahlreicher Krankheiten. Die Evolution hat uns Menschen mit nicht abschaltbaren Ohren ausgestattet, denn vor Urzeiten war das ständige Hören überlebenswichtig, waren doch Lärm und Geräusche meist mit einer Gefahr für Leib und Leben verbunden. In unserer zivilisierten und technisierten Welt ist das grundlegend anders geworden, Lärm ist zu unserem ständigen Begleiter geworden. Und wir scheinen uns auch an Lärm zu gewöhnen. Nicht alle Menschen sind gleichmäßig lärmempfindlich. Etlichen Menschen macht Fluglärm angeblich nichts aus.
In einer Situation, als bei einem Vulkanausbruch auf Island vor einigen Jahren tagelang auch in Deutschland kein Flugverkehr stattfand – man erinnert sich -
wurden Menschen, die in einer Flugeinflugschneise leben, nach ihren Eindrücken bezüglich dieser plötzlich ausgebrochenen Stille befragt. Sie waren ob der Stille sehr überrascht und haben erst in dieser Situation realisiert, was Lärm mit ihnen macht. Lärm in Dezibel auszudrücken ist auch nur ein erster Anhalt, Lärm ist zusätzlich auch eine Botschaft, so wird ein laufender LKW-Motor ganz anders wahrgenommen als ein gleich lauter Wasserfall neben einer Schlafstelle in der Urlaubswildnis.
Und viele, vornehmlich junge Menschen, setzen sich dem schon manchmal schmerzhaften Lärm einer Disco höchst freiwillig aus, mit erwiesenen fatalen Folgen einer Schwerhörigkeit schon im besten Erwachsenenalter.
Kann man sich Straßen- oder Schienenlärm noch mehr oder weniger gut entziehen, indem man die (gerichtete) Lärmquelle versucht abzuschirmen, scheitert man bei Fluglärm an dieser Stelle völlig
Die einzige Möglichkeit besteht darin, sich in einem rundum lärmgeschützten Haus einzuigeln. Balkon oder Gartennutzung? Fehlanzeige. Das macht Fluglärmschutz, wenn man in schon nicht an der Quelle will oder kann, so aussichtslos.
Nach den bisherigen Ausführungen ist es kein Wunder, wenn Fluglärm im öffentlichen Diskurs oft ein Stiefkind bleibt. Auch in Braunschweig scheint es so zu sein. Andere Interessen scheinen vorrangig zu sein. Die Devise ist wohl, alles, was der Entwicklung des Flughafens zu schaden scheint, wird möglichst wenig thematisiert.
Auf den Wunsch, Fluglärmmessungen durchzuführen, wurde in den 1970er Jahren ausgeführt, Fluglärm in Braunschweig (speziell in Bienrode) sei nicht messbar, da er im Lärm des Straßenverkehrs der Altmarkstraße (in der Nähe der Einflugschneise) unterginge. Dies war eine Behauptung, die sowohl von den Anwohnern als auch von der
im Jahr 1990 gegründeten Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm nicht geteilt wurde.
UNS REICHT'S!
Fluglärmmessungen 1996
Aufgrund solcher irreführenden Aussagen haben wir im Jahr 1996 in einem von der Stadt Braunschweig finanziell geförderten Projekt selbst Fluglärmmessungen durchgeführt.
Diese Messungen geschahen in Kooperation mit dem TÜV Hannover, dabei hat der TÜV uns die Hardware in Form von Mikrofon und Schallaufzeichnugsgerät zur Verfügung gestellt.
Unsere Aufgabe bestand darin, die einzelnen Schallereignisse den startenden Flugzeugen zuzuordnen. Aus den gesammelten Daten hat der TÜV ein Gutachten erstellt. Je nach planerischer Einstufung der Siedlungen in Bienrode und Unterscheidung in Werktag oder Sonn- und Feiertag, genügten wenige Überflüge (im einstelligen bis niedrigem zweistelligen Bereich), um die Lärm-Orientierungswerte für den jeweilige Situation zu überschreiten.
Damit war zum ersten Mal belegt, dass der Fluglärm eine ernste Störquelle für die Anwohner ist, vor allem in den besonders schutzwürdigen Zeiten an Wochenenden und in Mittagspausen. Aufgrund der klugen Aufbereitung in dem Gutachten ist es immer noch hochaktuell.
Lärmmessungen seit 2014
Einen weiteren Meilenstein in den Lärmmessungen stellte das Jahr 2014 dar. Die Schutzgemeinschaft erwarb eine 3.500 Euro teure Messstelle und betreibt sie seitdem in Kooperation mit dem Deutschen Fluglärmdienst. Dank der fortgeschrittenen Technik arbeitet sie vollautomatisch, und die Messergebnisse können von jedermann und jederzeit aus dem Internet abgerufen werden.
Zunächst war die Messstelle im Testmodus in Waggum installiert, seit August 2017 wird sie in Bienrode betrieben. Sie zeichnet Schallpegel 24 Stunden am Tag auf. Über die Transponderkennung der startenden und landenden Maschinen kann darüber hinaus eine Zuordnung der Lärmereignisse zu den Flugzeugen hergestellt werden. Die Einrichtung dieser Messstelle fügt sich in ein bundesweit vorhandenes Netz von Messstellen ein.
Die Messwerte können über das Internet und der Webseite des Deutschen Fluglärmdienst unter www.dfld.de abgerufen werden. Über die Regionsseite kommt man dann zu der Region Braunschweig und zur Messstelle Bienrode.
Die Menüführung ist weitestgehend selbsterklärend, und es lohnt sich, mit der Webseite zu „spielen“ und viele Funktionen bzw. Informationen zu entdecken.
Aus den Ergebnissen der Messungen leiten wir die Forderung nach weiteren Betriebsbeschränkungen an Wochenenden und in Mittagspausen.
Lärmwerte von Flugzeugmustern, der Lärm an der Quelle
In der Grafik unten dem Text sind Lärmwerte von unterschiedlichen Flugzeugmustern aufgezeichnet.
Die Lärmpegel sind von unserer Messanlage aufgezeichnet worden. Man seht sehr gut, dass die von den kleinen Flugzeugen (hier Cirrus SR20) erzeugte Spitzenpegel (kleines Bild, 2. Reihe) in derselben Größenordnung sind wie die der größeren Maschinen.
Dabei handelt es sich bei der Cirrus um ein sehr modernes Flugzeug. Es stimmt eben nicht, dass die kleinen Flugzeuge aufgrund technischer Weiterentwicklung immer weniger laut werden. Aktiver Schallschutz kostet eben Geld oder Effizienz. In den USA, wo viele Flugzeugmuster entwickelt werden, wird Schallschutz nicht als wichtig erachtet, darum sollen und müssen wir im dicht besiedelten Deutschland mit den lauten Modellen leben.
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